Sonntag, 10. Juni 2007

Tag 29 – 08.06.2007 – Chartres


- erst kurz nach 7 Uhr und nicht, wie mir gesagt wurde, schon 5:45 Uhr kam ich in Paris an… da ich die Fahrt aber liegend verbringen konnte, war dies eher eine positive Überraschung – angekommen war ich diesmal wieder in Paris Austerlitz, musste aber nach Montparnasse, um mit dem Regionalzug nach Chartres zu kommen… bezüglich des Abfahrtsbahnhofs war ich mir diesmal sicher und nach somit auch die richtige U-Bahn – im anschließenden Regionalzug waren die Sitzverhältnisse etwas beengt und ich quetschte mit meinem Rucksack mitten unter einer Schulklasse auf Wandertag… ich vermutete erst, wir hätten das gleiche Ziel, da einer der aufsichtsführenden Lehrer an Hand seines Kragens als geistlicher zu erkennen war… dann stieg die ganze Kinderschar aber doch eine Haltestelle vor mir aus
- ich war gegen 9 Uhr angekommen, bis ich aber in die Stadt aufbrach, verging noch eine gute Stunde… erst einmal nutzte ich die saubere, wenn auch nicht moderne Bahnhofstoilette, um mich und mein Hemd vom Schweiß des Vortages zu befreien – anschließend führte mich mein erster Weg wie meistens zur Touristeninfo… dort fand ich neben dem erhofften Stadtplan auch noch ein Schild mit Seltenheitswert „Wireless LAN“… auf Nachfrage konnte man hier kostenlos online gehen.. positiv überrascht, freute ich mich endlich mein Blog weiter vervollständigen zu können… die letzten Tage hatte ich nie einen Zugang zum Internet gefunden… aber wie es so schön heißt: „Lobe den Tag nicht vor dem Abend“… ich konnte keine Verbindung zum Internet herstellen… außer einer Fehleranzeige passierte nichts – die „Stromgelegenheit“ in der Touristeninformation nutzte ich trotzdem, versorgte mein Notebook mit neuem Lebenssaft, während ich an meinen Tagesberichten weiter schrieb – anschließend unternahm ich noch den Versuch irgendwo anders im Ortskern eine kostenlose Internetverbindung zu finden… abgesehen davon, dass es dämlich aussieht, wenn man mit aufgeklappten Notebook herumläuft und an jeder zweiten Straßenecke stehen bleibt, hofft und mit ernüchternden Gesichtszügen weitergeht… abgesehen davon, war das ganze reine Zeitverschwendung… eine Internetverbindung war nicht zu finden – bzgl. des „es sieht dämlich aus, so herum zu laufen“ sei aber noch gesagt: wer beim Laufen merkwürdig quitscht, kann auch noch merkwürdig aussehen… das war mir spätestens seit dem Vortag fast völlig egal… war ich zuvor eigentlich nur in Großstädten unterwegs, wo der einzelne meist eh nur anonym einer unter vielen ist, so ist La Rochelle de Ville doch eher eine Kleinstadt… zumindest die Altstadt… und da ich auch dort wieder in fast jeder dritten Straße herumgequitscht bin, konnte ich mir meines Platzes unter den städtischen Gesprächsthemen an diesem Tag sicher sein
- doch zurück zu meinem Aufenthalt in Chartres… nachdem ich die Internet-Suche aufgegeben hatte, stärkte ich mich erst einmal, bevor ich die Kathedrale in Augenschein nahm… von ihr hatte ich vor einiger Zeit schon beeindruckendes gelesen und sie war der Grund, warum ich die Stadt besuchte… schon von außen war das Bauwerk imposant… riesige massive Pfeiler ragen in Reih und Glied entlang der Kirchenwände in die Höhe… sie zeigen zum einen, dass es sich um eine gotische Kathedrale handelt, deren Dachlast mittels dieser Streben von den Seitenwänden abgelenkt wird… zum anderen zeigen die Säulen, dass es sich um ein frühgotisches Bauwerk handelt, da sie noch sehr massiv sind – ganz in Gegensatz beispielsweise zum Kölner Dom… auffällig von außen sind zudem die zwei verschiedenen Türme der Kathedrale… beide ebenfalls gotischen Stils… der eine jedoch viel filigraner und reicher verziert und somit später fertig gestellt… am beeindruckendsten sind aber die drei Portale… sie bestehen jeweils aus drei großen Türen, die ringsum, je ein Thema darstellend mit Skulpturen verziert sind – vom Inneren der Kirche war ich etwas enttäuscht… ich stand in einem riesigen aber trotz Mittagszeit fast schwarzem Kirchenschiff… die Vielzahl erhaltener Bleiglasfenster, ihre Diversität und die dadurch beschriebenen Geschichten sind wohl einzigartig… ebenso der mit 40 Skulpturenbildern verzierte Chorrundgang... und auch das riesig Labyrinth im Fussboden… trotzdem kam in diesem „schwarzen Loch“ bei mir keinerlei erhebendes Gefühl zustande – trotzdem ist die Kathedrale auf jeden Fall sehenswert und wohl auch einzigartig
- nachdem ich wieder das Tageslicht genoss, machte ich mich auf die Touristenroute durch Chartres entlang zu gehen… denn nicht nur die Kathedrale ist sehenswert, ringsum liegt auch eine wunderschöne und fast komplett erhaltene Altstadt mit großteils mittelalterlichen Häusern und einigen weiteren sehr schönen Kirchen
- der Tag neigte sich dann schon langsam gegen Abend und ich ging zum Bahnhof, um für diese Nacht meinen Zug von Paris nach Toulouse zu reservieren… leider verstand die nette Frau am Schalter kein Englisch… mit meinem Französisch kam ich auch nicht weit genug… und als sich eine nette Französin als Übersetzerin anbot, ließ die Bahnangestellte jedes organisatorische Talent vermissen und konnte mir nur mitteilen, dass dieser Zug nach Toulouse bereits ausgebucht war… ich beschloss aber trotzdem am Abend nach Paris zu fahren und dort noch einmal nach möglichen Verbindungen zu fragen
- zuvor steuerte ich aber noch den örtlichen McDonalds an… und… oh wunder… ich fand einen kostenlosen Internetzugang vor… dort wo ich am wenigsten damit gerechnet hatte… schließlich sind in Deutschland alle McDonalds-Filialen diesbezüglich nur Sklaven der Telekom – so schnell als möglich lud ich meine Reiseberichte der Tage 23-27 in mein Blog und musste auch schon wieder aufbrechend
- fliegenden Schrittes kam ich zum Bahnhof… gerade noch rechtzeitig um den Regionalzug nach Paris zu erwischen… es war ein moderner Doppelstockzug und völlig erstaunt konnte ich feststellen, dass an jedem Sitzplatz eine Steckdose vorhanden war… ich verkabelte meine Geräte und freute mich auf eine unterhaltsame Fahrt… aber anscheinend war der Zug den Franzosen zu modern und sie hatten noch einige Handlingsprobleme… 100m nach dem Bahnsteig war jedenfalls Endstation der Fahrt…20 Minuten lang sprangen noch verschiedene Bahnmitarbeiter in orangen Warnwesten um den Zug… dann gings endlich weiter… zurück in den Bahnhof – dort durften alle Fahrgäste wieder aussteigen und auf den nächsten Zug warten
- dieser fuhr eine Stunde später als der vorherige… aber er fuhr wenigstens… Steckdosen gab es in diesem natürlich keine… aber auch so hatte ich noch genug Strom, um alternative Bahnverbindungen für diese Nacht nach Toulouse herauszusuchen, mein Fahrgeschick auf der „Streif“ zu verbessern und meine Tagesberichte weiter zu schreiben… zu mal ich für den Notfall immer noch meinen Zweitakku mit mir herumschleppte, der bisher auf der ganzen Reise gerade einmal zum Einsatz kam
- für die vormals mögliche Alternative eines TGV nach Bordeaux kam ich nun zu spät in Paris an… erfreut erfuhr ich am Schalter aber, dass im Nachtzug nach Tarbes noch Plätze frei waren… der fuhr zwar auch nicht direkt an Toulouse vorbei… aber von dort aus gab es eine Schnellzugverbindung – die Fahrkartenschalter hatten aber alle schon geschlossen, die Bahninformation konnte keine Reservierungen vornehmen und so wurde ich direkt zum Schaffner geschickt… als erstes traf ich aber auch einen Bahnmitarbeiter, der mir zwar keine Reservierung ausstellen, mir aber sagen konnte, dass diese genauso viel kosten würde wie am Schalter oder Automaten… zwei Minuten später beim richtigen Schaffner, wollte dieser von mir satte 15€-Reservierungsgebühr wegen Buchung an Bord… das war mir erst einmal zu viel… bis zur Abfahrt waren es noch 15 Minuten und so suchte ich den anderen Bahnmitarbeiter wieder auf… der blieb bei seiner Ansicht, da die Schalter geschlossen waren und ich keine Alternative hatte… er ging mit zum Schaffner, konnte diesen aber nicht überzeugen… er zeigte aber außerordentlichen Einsatz und rannte mit mir noch zu den Automaten, um dort vielleicht doch irgendwie eine Reservierung durchführen zu können… dies ist normalerweise nicht möglich, da die Automaten das Interrail-Ticket nicht kennen… bis zur Zugabfahrt waren es noch vier Minuten, aber wir wurden tatsächlich fündig… mit zwei Kinderfahrscheinen zu je 1,50€ hätte ich die Höhe der Reservierungsgebühr gezahlt… dummerweise nahm dieser Automat aber kein Bargeld an und meine Mastercard funktionierte überall, bloß nicht in Frankreich… als letzten Ausweg empfahl mir der völlig enttäuschte Mitarbeiter, ich solle die 15€ im Zug bezahlen und sie später per Brief über den Kundendienst der französischen Bahn wieder zurück fordern… keine Ahnung, ob das wirklich funktioniert…jedenfalls rannte ich wieder zum Zug und konnte gerade noch vor den beiden Schaffnern einsteigen
- während ich anschließend im Speisewagen auf die beiden wartete um meinen Fahrschein zu bezahlen, lernte ich zumindest noch zwei nette Leute kennen… eine Spanierin aus Barcelona und einen US-Amerikaner aus NYC… beide studieren in Paris und wollten einen Wochenendausflug an die französische Atlantikküste machen… allerdings waren sie arg am Zweifeln, ob sie im richtigen Zug saßen… dank meine DB-Planers konnte wir diese Zweifel aber auflösen… ihm sei an dieser Stelle generell einmal ein Lob eingeräumt… nahezu alle Verbindungen, die ich während der vier Wochen genutzt hatte, waren im Fahrplan dieses Tools enthalten… ohne ihn wäre die Reise sicher um einiges schwieriger Verlaufen… denn Bahnmitarbeiter sind nun einmal darin ausgebildet, die schnellsten und kürzesten Verbindungen herauszusuchen und nicht die, mit denen man die ganze Nacht im Zug verbringen kann :-)

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