Sonntag, 10. Juni 2007

Tag 30 – 09.06.2007 – Toulouse


- Ich erwachte im Zug, schaute aus dem Fenster und las „St. Jean Bordeaux“… hatte ich den DB-Planer am Vortag noch gelobt, hatte er diesmal anscheinend etwas geschwächelt… laut seinen Angaben sollte der Zug in Bordeaux nicht halten… das war aber nun auch egal… es war erst kurz nach 3 Uhr und somit sollte ich von Bordeaux aus früher eine Weiterfahrt nach Toulouse finden können, als von Tarbes… also stieg ist schnell aus… warf auf dem Bahnsteig mein Notebook wieder an und versicherte mich meiner Vermutung… um 5:44 fuhr der nächste Zug – bis dahin wartete ich auf dem Bahnhof und stürmte den bei Ladenöffnung ins erste Geschäft, da meine Wasservorräte aufgebraucht waren
- Kurz vor acht und somit fast zwei Stunden früher als geplant, kam ich in Toulouse an… die Touristeninformation befindet sich im Stadtzentrum, aber am Bahnhof war ein Stadtplan, so dass ich wusste, wo in etwa ich hin muss – am meinem Weg kam ich an einem Lebensmittelgeschäft vorbei und bog sofort ab, da mein Frühstück noch nicht gesichert war… nachdem ich die ersten zwei Gänge durchstreift hatte, fühlte ich mich stark an Lidl erinnert… dann schaute ich mich noch einmal richtig um und tatsächlich… ich hatte wieder meine Nahrungsmittelheimat gefunden – das wäre wieder eine tolle Wette für „Wetten dass…“... ich wette, ich erkenne jeden Laden eines großen Lebensmitteldiscounters in Europa nur an der Art, wie die Regale eingeräumt sind… naja vielleicht greift ein andere die Idee auf… ich werde es wohl doch besser lassen… der Tommy wird schon auch ohne mich weiter klar kommen
- Mit Nahrungsmitteln versorgt, suchte ich dann die Touristeninfo auf… mit dem Stadtplan ging es dann gleich in den nächsten Park und dann wurde erst einmal gefrühstückt… irgendwann fragten mich ein japanisches Pärchen, in welche Richtung die größte Kirche der Stadt liegt… ich konnte ihnen da wenig weiterhelfen, aber eine Französin sprang gleich ein… sie hielt dann einen 10-Minuten-Vortrag in ihrer Muttersprache, von dem ich einzig und allein verstand, dass es vier vom Baustil sehr unterschiedliche Kirchen in der Stadt gibt und diese von dem Standpunkt aus, in vier verschiedenen Richtungen lagen… ich suchte diese Kirchen dann auch auf meinem Stadtplan heraus und richtete meine Route so aus, dass ich möglichst an allen vorbeikam
- Im Wikipedia-Eintrag über Toulouse hatte ich zuvor unter anderem von einem großen Chemieunfall 2001 gelesen… 300 Tonnen Ammoniumnitrat waren damals in einem Lager explodiert, haben 31 Menschen das Leben gekostet und im Umkreis von 5km die Fensterscheiben zum Bersten gebracht… von den Lagerhallen blieb nun ein 50 Meter breiter und 10 Meter tiefer Krater übrig… kaum vorstellbar welche Kräfte da gewirkt haben – ich jedenfalls las und höre davon zum ersten Mal, aber vielleicht war in unseren Medien wenig davon berichtet worden, da sich das ganze zehn Tage nach dem 09/11 ereignete
- Das erste Ziel auf meinem Stadtrundgang war die „Basilique Saint-Semin“… es ist die Größte noch erhaltene romanische Kirche… sie gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und ist wohl in den letzten Jahren vollkommen restauriert worden… genauso interessant wie diese Kirche, war aber das Treiben davor… es war mal wieder Trödelmarkt und neben dem Wein scheint das eine weitere Vorliebe der Franzosen zu sein… ob Polsterstuhl, verrostetem Bügeleisen oder Plüschtieren alles war käuflich zu erwerben
- Die nächste empfohlene Kirche war leider geschlossen… so trieb es mich über die Garonne in einen schmalen Park entlang des Flusses… einiger Leute genossen die Sonnen oder den Schatten und lagen auf der Wiese… auffälliger waren aber die Mülleimer… sie waren nicht nur übervoll… rings umher türmte sich der Müll zu kleinen Bergen auf… kein wirklich angenehmer Anblick… trotzdem verweile ich einige Zeit in dem Park und entspanne… anschließend bemerke ich etwas oberhalb vermehrtes Treiben… ich nähere mich dem ganzen und lese auf einem Plakat, dass es sich um die 6. Austragung eines nationalen Boule-Wettbewerbes handelt… auf einer Länge von ca. 800m trainieren oder beobachten ungefähr 500 Leute das Spiel… mit meiner Kamera werde ich von den meisten für einen Pressefotograf gehalten und manche nehmen sofort Aufstellung zum Gruppenbild… andere wollen sich versichern, ob ich sie im Siegesfall fotografiere – willkürlich werden dann erst einmal die Startnummern vergeben… so weit, so gut… dann aber kommt es zur Bekanntgabe der Spielpaarungen… etwas derart unpraktisches kann man sich kaum ausdenken… für jede Spielpaarung gibt es ein kleines Kärtchen, auf dem die Startnummern der beiden Kontrahenten stehen… beide Nummern werden per Mikrofon ausgerufen und der der sich zu erst meldet erhält das Kärtchen… anschließend muss er irgendwie aus der Menge der anderen ungefähr 250 Teilnehmer seinen Gegner finden oder dieser ihn… um sich dieses System auszudenken, muss schon sehr viel Wein geflossen sein… eine hierarchische Tafel mit den Spielpaarungen wäre sicherlich für alle einfacher gewesen… aber vielleicht sollte es gar nicht einfach sein… zumindest die Kommunikation untereinander wurde dadurch extrem gefördert – nach einiger Zeit erfuhr ich aber, dass die eigentlichen Spiele erst abends ab halb neun stattfinden sollten… sechs Stunden wollte ich nun nicht warten und so setzte ich meinen Weg fort
- Nach ein paar Minuten kam ich „Musée de Augustins“, einem Museum in dem in einer ständigen Ausstellung Kunst von der Romanik bis zum Barock zu sehen ist… dieses Museum hatte ich mir bereits vorher vorgemerkt und konnte neben der Ausstellung auch noch die angenehm kühlen Räumlichkeiten und mein Fliegengewicht ohne Rucksack genießen… leider sind die Beschreibungen der Exponate für mich völlig unverständlich… die Ausstellungsstücke selbst aber auch so sehenswert
- Nachdem ich noch eine weitere Kirche angeschaut hatte, machte ich mich mal wieder auf die Suche nach einer Internetverbindung… nach einem recht stockenden Versuch, fand ich endlich eine gute Verbindung in einer Seitenstraße neben einem kleinen Hotel… im Web surfend verbrachte ich dann die nächste Stunde… es war inzwischen Abend und ich machte mich Richtung Bahnhof auf… die Reservierung des TGV klappte problemlos und so ging es weiter nach Bordeaux
- Um viertel vor Mitternacht kam ich in Bordeaux St. Jean an… den Bahnhof kannte ich mittlerweile schon gut, war ich doch inzwischen schon zum dritten Mal innerhalb der letzten Tage da… ich hoffte in den Aufenthaltsraum zu kommen, war mir aber nicht sicher, da ich nur eine Reservierung für meinen Zug nach Paris hatte… und dieser fuhr erst kurz vor 13 Uhr… der Bahnangestellte ließ mich aber unkompliziert hinein und so war ich wieder im angenehm ruhigen Himmelreich mit Strom und der Dusche gleich nebenan

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